Bartosz Sikorski – Zwölftonreihe für Lutoslawski, 2013  
        bartosz sikorski 12 tone row for lutoslawski instrallation 2013  
     
 

"Zwölftonreihe für Lutoslawski", Video Installation, HD Video mit Ton, 2min 40sek., 12 Objekte - Acryl auf Leinwand auf Holz

 

Bartosz Sikorski - Zwölftonreihe für Lutoslawski,

Bartosz Sikorskis multimediale Installation Twelve-tone Row for Lutoslawski/Zwölftonreihe für Lutoslawski ist die erste ihrer Art im Werk des Künstlers. Sie besteht aus einer zwei Minuten und 40 Sekunden langen HD-Videoprojektion mit Ton und zwölf verschiedenförmigen Objekten, die sich aus acrylbemalter Leinwand und Holzträgern zusammensetzen. Die Arbeit ist dem polnischen Komponisten und Dirigenten Witold Lutoslawski gewidmet, der im Jahr 2013 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte.

Im Lauf des Videos erklingen sämtliche zwölf gleich großen Halbtonschritte einer vollen Oktave von c aus, die eine – in diesem Fall aufsteigende – chromatische Tonleiter (Skala) bilden. Die so entstandene Zwölftonreihe stellt das Kernelement der Zwölftonmusik von Arnold Schönberg dar (wobei darauf zu achten ist, dass sich die Zwölftontechnik Lutoslawskis von der Schönbergs unterscheidet). Die Töne stammen von einem Pianino, wobei dem Instrument bei der Aufnahme ein Mikrophon eingesetzt wurde, um auch die musikbegleitenden Klänge der Apparatur Eingang in die Arbeit finden zu lassen (so ist gleich zu Beginn des Stücks das Geräusch des getretenen Pedals zu hören). Im Video treten nacheinander zwölf verschiedene Formen auf, die mit den Holz-Leinwand-Objekten (die schräg an die Projektionsfläche gelehnt sind) hinsichtlich Farbe und Umriss in etwa übereinstimmen. Mit der Zeit ist zu bemerken, dass immer dann ein Ton erklingt, wenn die projizierte Form auf ihrem Lauf von links nach rechts mit ihrem Pendant vor der Wand kongruiert. Ein Ton dauert immer so lang, bis eine neue Form mit ihrem Gegenstück zusammenfällt. Überstreichen diese Formen die restlichen Objekte, kommt es zu optischen Farbmischungen, die im Werk von Sikorski eine wichtige Rolle spielen. Am Ende des Stücks, kurz bevor die letzte Form den rechten Rand der Projektionsfläche erreicht hat, erklingen alle Töne noch einmal in mehreren Oktaven, nun aber in einer absteigenden Kakophonie ohne System. Die nun sämtlich in ihren Komplementärfarben sichtbar gewordenen Formen vibrieren und sinken mit den Tönen nach unten. Nachdem die Objekte vor der Wand noch einmal mit ihren Passstücken in den vormaligen Farben überblendet wurden (nun aber gleichzeitig), wird die übrige Projektionsfläche schwarz. Schließlich werden die Objekte vor der restlichen dunkel bleibenden Fläche weiß angestrahlt.

Die Zuordnung von projizierten Formen bzw. ihren Gegenstücken im Realraum und den Tönen wirkt zufällig oder willkürlich, hat doch die Höhe der Holzbretter offensichtlich nichts mit der aufsteigenden Tonleiter zu tun. Das gleiche ließe sich auch über die Farbgebung sagen. Augenscheinlich hat man es hinsichtlich des Zusammenhangs von Form- bzw. Farbgebung und dem Erklingen der Töne mit einer Art aleatorischer Technik oder kontrolliertem Zufall zu tun. Lutoslawski bediente sich beim Komponieren ebenfalls solcher Techniken, die von der Arbeit John Cages inspiriert waren. Im vorliegenden Fall stellt sich Sikorski als Kontrolleur des Zufalls heraus, indem er die Zuordnung für das konkrete Werk zwar willkürlich festlegt, eine Änderung der Anordnung durch ihn jedoch durchaus im Bereich des Möglichen lässt. Hinsichtlich der Koppelung von Farbe und Ton ließe sich auch an das synästhetische Farbenklavier des russischen Komponisten Alexander Nikolajewitsch Skrjabin denken. Letztlich partizipiert die Arbeit von Sikorski zudem am Konzept des Gesamtkunstwerks, das Töne, Farben und andere Materialien in sich vereint.

Interessant ist das Verhältnis der im Video auftretenden Formen zu ihren realen Pendants – jene wirken diesen gegenüber wie Gespenster, flache Erscheinungen ihrer dreidimensionalen Gegenstücke. Während diese geisterhaften Phänomene nacheinander auftreten, sind doch alle Formen über die Objekte vor der Wand stets sichtbar und halten die vorangegangenen Entscheidungen über die Zuordnung und die Tonabfolge präsent, verweisen auf ein vorläufiges System (das von der improvisierten Kakophonie am Ende allerdings wieder konterkariert wird). Die sukzessiven Auftritte der einzelnen Formen, die aufsteigende Tonleiter, die abfallende Dissonanz nach dem Klimax sowie das Dunkelwerden der Projektionsfläche und das weiße Anstrahlen der Objekte am Schluss verstärken den Eindruck eines Theaterstücks, in dem sich flache Formen von den Körpern der Schauspieler ablösen um mit den Tönen eine Verbindung einzugehen, die sich von den Betrachtern nachvollziehen lässt.


Text - Gabriel Hubmann

 

gezeigt:

Kronika, Bytom - (09-11.2015)

Hipphalle, Gmunden - (07.2015)

Festival de Mai, Auvernier (05.2015)

atelier Suterena - "Das Digiloge" (19.4.2013 - 11.05.2013)

pre-opening "Bildraum 07" (07.2013 - 09.2013)

level 320 penderecki festival (22.10.2013 - 26.10.2013)